Rundschreiben Nr. 10/2019

Finnisches Wolfsmanagement / EuGH-Verfahren

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Thema Wolf in Schleswig-Holstein erhitzt weiter die Gemüter und bleibt von ungebrochener Aktualität. Vor diesem Hintergrund haben wir kürzlich den Ihnen bereits übermittelten Handlungsvorschlag „Wildtiermanagement Wolf“ des Aktionsbündnis Forum Natur (vgl. Rundschreiben 01/2019) an alle maßgeblichen Entscheidungsträger auf Kreis- und Landesebene verschickt (beispielsweise umweltpolitische Sprecher der Landtagsfraktionen, Vorsitzende der Umweltausschüsse der Kreistage, Landräte etc.). So wollen wir die Vorschläge noch breiter im Bewusstsein auf politischer bzw. behördlicher Ebene verankern.

 

Hintergrund dieses Rundschreibens ist eine aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung. In der vergangenen Woche hat der Generalanwalt beim EuGH seine Stellungnahme in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zum finnischen Wolfsmanagement vorgelegt. In einem solchen Verfahren legen nationale Gerichte dem EuGH Rechtsfragen zur Prüfung der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit EU-Recht vor. Generalanwälte geben in jenen Verfahren eine rechtliche Stellungnahme (sog. Schlussanträge) ab, um den EuGH zu beraten. Diese sind nicht bindend, in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle folgt der EuGH jedoch dem Generalanwalt. 

 

Vorab muss man zudem anmerken, dass schon die FFH-Richtlinie selbst Ausnahmen vom Wolfsschutz in Finnland macht. So ist der Wolf gem. Anhang IV der FFH-Richtlinie (streng zu schützende Arten) innerhalb von Rentierhaltungsarealen in Finnland nicht streng geschützt, sondern wird dort in Anhang V (Arten, bei denen eine Entnahme durch Verwaltungsmaßnahmen möglich ist) geführt. Den Wolf für Deutschland bzw. Schleswig-Holstein in Anhang V der Richtlinie zu überführen, ist übrigens auch eine unserer Forderungen, um ein Management zu erleichtern.

 

Zurück nach Finnland: Ein 2015 erlassener Managementplan für die dortige Wolfspopulation sieht unter Berufung auf Art. 16 Abs. 1 lit. e der FFH-Richtlinie die Möglichkeit der Entnahme von Wölfen vor, um insbesondere in dünn besiedelten Gebieten, in denen es zu Wolfangriffen auf Hunde gekommen war, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu verbessern und Wilderei vorzubeugen. Hierauf gestützt, wurden in 2016 Jagdgenehmigungen für bestimmte Wölfe (Mitglieder stabiler Rudel) in bestimmten Regionen an Jäger erteilt. Eine finnische Naturschutzorganisation klagte hiergegen und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. e der FFH-Richtlinie nicht vorlägen, da ein günstiger Erhaltungszustand der Wolfspopulation in Finnland insgesamt nicht erreicht sei.

 

Das oberste finnische Verwaltungsgericht legte dem EuGH daraufhin die Frage vor, ob ein Wolfsmanagement bzw. die Erteilung von Entnahmegenehmigungen mit dem Ziel, die Verletzung von Hunden zu vermeiden, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu verbessern und Wilderei vorzubeugen, mit Art. 16 der FFH-Richtlinie vereinbar ist.

 

Der Generalanwalt kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass in den engen Grenzen, die Art. 16 der FFH-Richtlinie im Übrigen setzt, die genannte Begründung tatsächlich tragfähig ist, um die Entnahme von Wölfen zu rechtfertigen.

 

Natürlich lässt sich diese spezielle finnische Situation nicht eins zu eins auf Deutschland bzw. Schleswig-Holstein übertragen. Aus der Stellungnahme des Generalanwaltes bzw. der zu erwartenden Entscheidung des EuGH lassen sich jedoch interessante Schlussfolgerungen auch für die hiesige rechtliche Situation ableiten. So wird zum einen deutlich, dass ein echtes Management des deutschen Wolfsbestandes mehr als überfällig ist, um die bestehenden rechtlichen Instrumentarien der FFH-Richtlinie zu nutzen. Zum anderen wird deutlich, dass auch der Schutz anderer Tiere, die von Wölfen attackiert werden, sowie das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung tragfähige rechtliche Kriterien sein können, um eine Entnahme zu rechtfertigen.

 

Die Stellungnahme liegt leider nicht deutscher Sprache vor. Die englische Fassung fügen wir zur Ihrer Kenntnisnahme mit bei. Sobald die Entscheidung des EuGH vorliegt, werden wir diese in einem weiteren Rundschreiben auswerten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Marten Waller

Geschäftsführer


Anlage
schlussantraege_generalanwalt_c_67417.pdf

Forum Eigentum und Naturschutz