Rundschreiben Nr. 12/2019

Ökologische Gewässerunterhaltung als Vorteil für die Verbandsmitglieder?

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

auf diesem Weg möchten wir Sie gerne auf eine Entscheidung des OVG Greifswald (Urteil vom 29.05.2018 – 1 L 506/16) hinweisen. Das Urteil ist zwar schon etwas über ein Jahr alt, üblicherweise dauert es aber eine gewisse Zeit, bis eine Aufarbeitung in den einschlägigen Fachkreisen erfolgt.

 

Dem Verfahren zugrunde lag (u.a.) ein Streit über die Vorteilhaftigkeit von ökologischen Gewässerunterhaltungsmaßnahmen, konkret die Unterhaltung eines Krebswehrs und einer Fischtreppe, für Mitglieder eines Wasser- und Bodenverbandes. Dem klagenden Wasser- und Bodenverband war im Rahmen eines Planfeststellungsbeschlusses zum Gewässerausbau durch einen Landkreis auferlegt worden, als Maßnahme der ökologischen Gewässerunterhaltung ein Krebswehr und eine Fischtreppe in seine Unterhaltungslast zu übernehmen. Hiergegen wehrte sich der Verband, da er hierin keinen verbandsrechtlich relevanten Vorteil für seine Mitglieder zu erkennen vermochte, so dass keine Möglichkeit der Umlage der Kosten auf die Mitglieder bestünde.

 

Das Verwaltungsgericht Greifswald hat dies erstinstanzlich auch so gesehen. Der Umweltschutz sei eine gesamtstaatliche Angelegenheit und diene nicht dem Nutzen eines bestimmten Personenkreises, hier der Mitglieder des betroffenen Wasser- und Bodenverbandes. Folglich seien derartige Ausgaben über das allgemeine Steueraufkommen zu finanzieren.

 

Das OVG Greifswald hingegen vertritt in seiner Berufungsentscheidung die Position, dass ökologische Gewässerunterhaltungsmaßnahmen durchaus einen Vorteil für die Mitglieder der Wasser- und Bodenverbände begründen. § 39 Abs. 1 Nr. 4 WHG stelle ausdrücklich heraus, dass zur Gewässerunterhaltung auch die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen gehört. Infolge der Ökologisierung der Gewässerunterhaltung habe sich dementsprechend auch der wasserverbandsrechtliche Vorteilsbegriff gewandelt. Der Vorteil bestehe nach heutigem Verständnis „in der Verantwortung einer jeden natürlichen oder juristischen Person, für eine intakte und lebenswerte Umwelt und damit eine Lebensgrundlage zu sorgen, die letztlich allen Anwohnern im Verbandsgebiet zugute kommt.“ Insofern sei es bereits von Vorteil im Einzugsbereich eines ökologisch wertvollen Gewässers zu leben, da sich dies beispielsweise auch vorteilhaft für den Tourismus auswirken könne. Die Klage des Wasser- und Bodenverbandes wurde daher abgewiesen.

 

Das Urteil des OVG Greifswald muss in aller Deutlichkeit als verfehlt kritisiert werden. Sinn und Zweck der Wasser- und Bodenverbände ist es, Gewässerunterhaltung zu betreiben und die Vorflut zu sichern. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt von denjenigen, die durch diese Gewässerunterhaltung einen Vorteil haben, nämlich indem die Benutzbarkeit ihrer Grundstücke sicher gestellt wird, einen Betrag zu verlangen. Auf Basis des wasserrechtlichen Unterhaltungsbegriffs und der dort inzwischen verankerten ökologischen Ziele jedoch den verbandsrechtlichen Vorteilsbegriff auf Felder auszuweiten, die nicht Kernaufgabe der Wasser- und Bodenverbände sind und allenfalls sehr mittelbare Vorteile für die Verbandsmitglieder begründen, überspannt den Bogen zulässiger juristischer Auslegung nach hiesiger Einschätzung erheblich. Nicht zuletzt werden damit neue Konfliktfelder zwischen den Wasser- und Bodenverbänden und ihren Mitgliedern bei der Beitragserhebung geschürt.  

 

Es stünde allenfalls dem Gesetzgeber zu, den Vorteilsbegriff im Wasserverbandsrecht weiter zu fassen und auch weitere Maßnahmen, etwa im Bereich Umweltschutz, diesem Bereich zuzuordnen. Ob dies dann wiederum verfassungsrechtlich Bestand haben würde, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Keinesfalls kann eine solche Erweiterung des Vorteilsbegriffes jedoch im Wege der richterrechtlichen Rechtsfortbildung erfolgen.

 

Die Revision wurde zugelassen, so dass zu hoffen ist, dass das Bundesverwaltungsgericht zu dieser Frage Klarheit herstellen wird. Wir werden über den Fortgang der Sache bei Gelegenheit weiter berichten. Das Urteil ist dieser E-Mail beigefügt.

 

Abschließend noch ein weiteres Mal der Terminhinweis auf unsere Mitgliederversammlung am 28. Oktober um 17 Uhr in Kiel (HEA, Gurlittstraße 1 – 3) mit Staatssekretärin Dr. Dorit Kuhnt. Die Einladung finden Sie dieser Tage in Ihrer Post.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Marten Waller

Geschäftsführer

Anlage: ovg_greifswald.pdf


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