Rundschreiben Nr. 4/2019

Bericht vom Runden Tisch Wolf

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,

das Thema Wolf prägt derzeit, insbesondere im ländlichen Raum, die politische Debatte in Schleswig-Holstein. Mit Erteilung einer Genehmigung zur Entnahme des Problemwolfs in Pinneberg und fast täglichen Wolfsangriffen auf Schafe in Dithmarschen, hat die Diskussion jüngst einen neuen Höhepunkt erreicht. Das Land ist daraufhin tätig geworden und hat die Kreise Segeberg, Pinneberg, Steinburg und Dithmarschen zu sog. Wolfspräventionsgebieten erklärt.

Diese Fragen bildeten den Ausgangs- sowie Mittelpunkt der Diskussion beim 6. Runden Tisch Wolf am 15.02.2019 im LLUR in Flintbek. Als Forum Eigentum und Naturschutz sind wir zu der Veranstaltung eingeladen worden, weswegen ich selbstverständlich teilgenommen habe.

Anders als es teilweise kolportiert wurde, handelte es sich um eine reine Fachveranstaltung mit Vertretern des Ministeriums bzw. LLUR. Vertreter der Landesregierung oder der Landespolitik waren nicht zugegen.

Was die genehmigte Entnahme des Pinneberger Wolfes angeht, so erläuterten die Behördenvertreter noch einmal die rechtlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 Nr. 1 BNatSchG. Hervorhebenswert ist dabei insbesondere, dass nach ihrer Auffassung die Schwelle der „erheblichen“ Schäden noch bei keinem betroffenen Schafhalter erreicht ist. Dies wird üblicherweise erst dann angenommen, wenn eine Existenzgefährdung droht. Basierend auf den von der Umweltministerkonferenz verabschiedeten Hinweisen zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG beim Wolf, die als Erlass landesrechtlich eingeführt wurden, ist zur Beantwortung der Frage nach erheblichen Schäden der Landwirtschaft jedoch auch eine Prognoseentscheidung möglich. Das bedeutet: Entwickelt ein Wolf ein Problemverhalten, d.h. überwindet er mehr als zwei Mal die als wolfssicher geltenden Zäune, so ist davon auszugehen, dass durch diesen Lerneffekt, der sich ggf. auch auf die nächste Generation überträgt, auf Dauer bzw. Lebenszeit des Wolfes erhebliche Schäden i.S.d. Vorschrift eintreten werden. Diese Zukunftsprognose reicht dann aus, um eine Entnahme zu rechtfertigen.

Voraussetzung ist allerdings, dass zuvor zumutbare Alternativen ergriffen wurden. Als zumutbar wird nach Behördenauffassung das Setzen von Zäunen bzw. andere Herdenschutzmaßnahmen eingestuft. Das Einfangen bzw. Vergrämen des Wolfes wird hingegen nicht als zumutbare Alternative bewertet.

Durch die Entnahme wird eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes Wolfes in Schleswig-Holstein nicht angenommen. Trotz gelegentlicher Tötung von Wölfen durch den Straßenverkehr, wächst die Population seit Jahren, sodass die Entnahme eines einzelnen Tieres keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Population insgesamt bedeuten wird.

Problematisiert wurde auch die Frage, wer überhaupt befugt ist einen Antrag auf Entnahme eines Wolfes zu stellen. Da, wie beschrieben, für den einzelnen Schafhalter in aller Regel die Erheblichkeitsschwelle (d.h. die Grenze zur Existenzgefährdung durch Rissvorfälle) nicht überschritten wird, hat das Land selbst einen entsprechenden Antrag unter Verweis auf die oben beschriebene Prognose der erheblichen Schadensentwicklung gestellt.

Im Anschluss an den umfassenden Vortrag entwickelte sich dann noch eine längere Diskussion zu der Frage, welche konkreten Jäger mit der Entnahme des Wolfes beauftragt wurden bzw. welche strafrechtlichen Konsequenzen diese möglicherweise fürchten müssen, sollte es zu einer Tötung des falschen Wolfes kommen. Von Seiten der Naturschutzverbände wurde dabei auch die Qualifikation der Jäger in Zweifel gezogen und die Frage aufgeworfen, ob möglicherweise Jäger aus dem Ausland mit der Suche des Wolfes beauftragt wurden. Die Behördenvertreter schwiegen hierzu konsequent und teilten mit, dass aus Gründen des Daten- und Personenschutzes keinerlei Informationen hierzu herausgegeben werden. Sie versicherten jedoch, das die handelnden Personen die erforderlichen waffen- und jagdrechtlichen Qualifikationen aufweisen.

Den zweiten Teil der Veranstaltung bildete die Vorstellung der nun eingeführten Wolfspräventionsgebiete. Hintergrund hierfür ist wiederrum die Landesrichtlinie zur Entschädigung von Wolfsschäden, die bereits existiert und nunmehr zum 15. März geändert werden soll. Schäden durch Wolfsrisse sollen demnach zu 100 % entschädigt werden, sofern die betroffenen Schäfer bzw. sonstigen Tierhalter zumutbare Präventionsmaßnahmen, wie insbesondere das Aufstellen der vom Land kostenlos zur Verfügung gestellten Zäune, ergriffen haben.

Voraussetzung für die Ausweisung eines Wolfspräventionsgebietes ist, dass in dem jeweiligen Gebiet ein Wolf mindestens 6 Monate resident geworden ist, sich ein Paar bzw. Rudel gebildet hat und es zu einer Rissserie kommt.

Von Seiten des Schafzüchterverbandes wurde mit großem Nachdruck darauf hingewiesen, dass das Aufstellen der Zäune für die Betriebe schlicht nicht leistbar ist. Es muss daher auch zwingend eine Förderung der Arbeitskraft, um diese Aufgabe zu bewältigen, erfolgen. Von Seiten der Behördenvertreter wurde mitgeteilt, dass der rechtliche Rahmen dies angeblich nicht hergeben würde. Die Schäfer müssten einen substanziellen Eigenbeitrag zur Wolfsprävention leisten. Dies schreibe das Europarecht vor. Die Eigenleistung würde insofern in der Arbeitsleistung beim Aufstellen und Unterhalten der Zäune gesehen werden. Zwar gibt es Bestrebungen auf EU-Ebene durch eine Mutterschafprämie den Mehraufwand für das Aufstellen der Zäune monetär auszugleichen, diese Diskussionen befinden sich derzeit aber noch in einem frühen Stadium.

Letztendlich ist dies ein katastrophales Signal an die Betriebe und wird in der Praxis vermutlich dazu führen, dass viele Schafhalter die Zäune überhaupt nicht beantragen werden und am Ende lieber auf den Rissschäden sitzen bleiben, anstatt sehenden Auges in eine Überforderungssituation hinsichtlich des Aufstellens und Unterhalten der Zäune zu geraten. Dass in jedem Fall eine Situation eintreten wird, in der entweder weiterhin massenhaft Weidetiere qualvoll durch Wolfrisse verenden werden oder aber Wildtiere in den Zäunen, mit denen zudem die Landschaft durchschnitten wird, ist nur eine weitere Facette dieser schwierigen Diskussion, die einen den Kopf schütteln lässt.

Als Forum Eigentum und Naturschutz begleiten wir den Diskussionsprozess selbstverständlich weiterhin intensiv, insbesondere mit unseren betroffenen Mitgliedsverbänden im Bereich der Weidetierhaltung.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Marten Waller
Geschäftsführer

Forum Eigentum und Naturschutz