Rundschreiben Nr. 1/2021

Wolfsangriffe und Staatshaftungsrecht

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

auch wenn das neue Jahr bereits zwei Wochen alt ist, wünsche ich Ihnen zunächst noch ein frohes neues und vor allem gesundes Jahr 2021!

 

Auf diesem Weg möchten wir Ihnen von einer aktuellen Entwicklung zu dem uns weiterhin intensiv beschäftigenden Thema Wolf berichten. Schafhalter hatten (ohne Abstimmung mit dem Landesverband der Schaf- und Ziegenzüchter) das Land Schleswig-Holstein auf Amtshaftung- bzw. Entschädigungsansprüche wegen Wolfangriffen (verantwortlich war der später zur Entnahme freigegebene Wolf GW 924) auf ihre Tiere im Herbst 2018 verklagt.

 

Kurz zur rechtlichen Einordnung: Amtshaftungsansprüche bzw. Entschädigungsansprüche nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen sind Bestandteil des sog. Staatshaftungsrecht. Hierbei handelt es sich wiederum um teilweise ungeschriebenes, durch richterliche Rechtsfortbildung entwickeltes Recht. Vereinfacht ausgedrückt sind derartige Ansprüche denkbar, wenn Beamte bzw. staatliche Organe Amtspflichten verletzten und dadurch in (Grund-)Rechte, wie insbesondere das Eigentum, der Bürger eingegriffen wird. Auch wenn es sich um klassisches Verwaltungsrecht handelt, sind hierfür die Zivilgerichte zuständig.

 

Die klagenden Schafhalter verlangten Schadensersatz für das Verlammen von 140 tragenden Schafen infolge der Wolfsangriffe sowie die Feststellung, dass das Land Schleswig-Holstein verpflichtet sei, Ersatz von Schäden durch Wolfsangriffe zu ersetzen. Die Kläger sahen einen Eingriff in ihr Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) bzw. ihre Berufsfreiheit (Art. 12 GG) durch die Wolfsangriffe. Das Land sei verpflichtet Schutzmaßnahmen für Schafhalter gegen Wolfsangriffe zu ergreifen. Ein- oder durchwandernde Wölfe seien vom Land sofort zu entnehmen oder alternativ zu betäuben und in Bereiche umzusiedeln, in denen sich keine Konflikte mit Nutztieren ergeben. Zudem seien Wölfe durch geeignete Maßnahmen (Zäune an der Grenze zu Dänemark) an der Einwanderung nach Schleswig-Holstein zu hindern.   

 

Wenig überraschend stellten sowohl das Landgericht Kiel in erster Instanz, als auch das OLG Schleswig in zweiter Instanz fest, dass es keine Rechtspflicht des Landes gibt, die Anwesenheit von Wölfen in Schleswig-Holstein generell oder speziell in Schafzuchtgebieten zu verhindern. Zur Verfügung steht insoweit nur die Möglichkeit einer artenschutzrechtlichen Ausnahmeerteilung vom Tötungsverbot gem. § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 BNatSchG. Hiervon hat das Land im Fall des Wolfes GM 924 auch Gebrauch gemacht, nachdem die Voraussetzungen jener Norm vorlagen. Enteignungsrechtliche Ansprüche scheiden nach Auffassung der Richter schon deshalb aus, weil dies einen unmittelbaren Zugriff staatlicher Gewalt auf das Eigentum erfordert. Das Unterlassen von Maßnahmen zur Verhinderung von Wolfsschäden erfüllt jedoch nicht das Merkmal eines Eingriffes in das Eigentum.

 

Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf die beigefügten Beschlüsse des OLG vom 24.09.2020 und 03.11.2020.

 

Die Entscheidungen sind nach hiesiger Bewertung rechtlich nicht zu beanstanden. Eine rechtliche Verpflichtung des Staates, seine Bürger bzw. im speziellen Schafhalter vor Gefahren der Natur zu schützen, besteht nicht. Gleichwohl wird anhand des geführten Verfahrens ein Grundproblem in der Wolfsdiskussion noch einmal sehr deutlich. Weder die Kosten der Prävention vor Wolfsangriffen, noch alle (Folge-)Schäden, wenn es doch zu Wolfsangriffen kommt, werden vollständig vom Land übernommen. Der (angebliche) gesellschaftliche Konsens, dass die Wiederansiedlung von Wölfen in Deutschland gewollt ist, geht somit weiterhin zu einem ganz wesentlichen Teil zu Lasten der Nutztierhalter, insbesondere der Schafhalter. Wenn die Gesellschaft bzw. die Politik die Wiederansiedlung von Wölfen will, muss sie dafür auch die Lasten derjenigen tragen, die hierdurch Schäden erleiden oder gar in ihrer Existenz gefährdet sind. Hierfür werden auch wir uns seitens des Forums weiter einsetzen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Marten Waller

Geschäftsführer


Anlagen: olg_schleswig_beschluss_vom_24.09.2020.pdf

             olg_schleswig_beschluss_vom_03.11.2020.pdf


Forum Eigentum und Naturschutz